Von Kiel nach Brunsbüttel mit dem Charme der Kaiserzeit

Text und Fotos: Stephan Käufer
Schaufelraddampfer Freya

Schaufelraddampfer Freya

Bis ins Mark dringt der gellende Pfiff aus der Dampfpfeife. Einmal lang. Gleichzeitig umhüllen, wie Wattebäusche, Schwaden von weißem Rauch das Brückenhaus und das Freideck um den Steuerstand.
Nein, kein neuer Papst wurde gefunden, die Freya, ein historischer Schaufelraddampfer löst sich von ihrem Liegeplatz unterhalb des Bahnhofs an der Kieler Hörn, um sich schnaufend, pfeifend und schaufelradstampfend ihren Weg durch die Fluten der Kieler Förde Richtung Nord-Ostsee-Kanal zu bahnen - Dampferromantik pur.
Der Signalpfiff, der das Ablege-Manöver übertönt - einmal lang - bedeutet: „Achtung“ im Kontext von „ ich lege ab!“ Übersetzt im Sinne der agilen 104 jährigen klingt es aber in etwa so wie:“ Hey Jungs, hier bin ich“. Denn mit genau diesem Selbstbewusstsein schippert die alte Dame, wie selbstverständlich zwischen all den riesigen Pötten, den Kreuzfahrtschiffen, den Frachtern sowie den Fährschiffen der Stena und der Colorline durch das Kieler Hafenbecken auf die Holtenauer Kanalschleuse zu. Hierbei passiert sie Urzeitmonstern ähnliche Werft- und Verladekräne, die Kieler Howaltwerke, den Schleswig Holsteinischen Landtag und den Marinehafen.

kein neuer Papst

kein neuer Papst

Etwa acht Stunden benötigt das zur Reederei der Adler Schiffe gehörende Dampfschiff für die Passage des Nord-Ostsee-Kanals, der sich von Kiel bis Brunsbüttel quer durch Schleswig- Holstein schlängelt, und dabei auf einer Länge von etwa 100 Kilometern 10 Brücken-bauwerke und 14 Fähren passiert. Nebenbei ist die 1895 als Kaiser Wilhelm Kanal eröffnete Verbindung von Nord- und Ostsee eine der am meisten befahrenen Wasserstraßen der Welt. Die Freya fährt auf ihrem Revier, nach festem Fahrplan an dem einen Tag die Ost- West- Route um dann am darauffolgenden Tag die umgekehrte Strecke zu dampfen. Nach etwa vier Stunden, also zur Halbzeit macht das Dampfschiff in Rendsburg am Kanalhafen fest. Nein, nicht um hier neue Kohlen zu bunkern, sondern um neue Passagiere aufzunehmen. Ferner wohl auch um jenen Passagieren, die nur für die halbe Reise angeheuert haben, die Möglichkeit zu geben, das Schiff nicht schwimmend verlassen zu müssen. Von Rendsburg aus besteht die Möglichkeit mit der Nord – Ostsee – Bahn wieder die Ausgangspunkte Kiel oder Brunsbüttel zu erreichen, wenn aus der Schiffstour keine Tagestour werden soll. Die Passagen lassen sich auch direkt mit Kombiticket Schiff – Bahn buchen.

stilvolle Decks

stilvolle Decks

Beim betreten des Schiffes werden die Gäste von freundlichen Stewards in Empfang genommen und zu den reservierten Tischen geführt. Ein Hauch von Exklusivität und Traumschiffatmosphäre kommt in den stilvollen Decks des Seitenraddampfers auf.
Während an den Seiten des Schiffes die riesigen Schaufelräder ihren Dienst verrichten und das Schiff langsam auf die Kanalschleuse zugleitet, heben sich im Vorschiff wie von Geisterhand die Decksplanken auf einem Karree von etwa 4 x 4 Meter in die Höhe. Ein Aufzug befördert das direkt aus der Kombüse, und garantiert nicht vom Klabautermann hergerichtete Brunchbuffet aus den tiefsten Tiefen des Schiffsrumpfes in die Höhe.
Was nun folgt wird gemeinhin, positiv ausgedrückt, als schlemmen bezeichnet.
Faktisch ist es das Unterschreiben der Kapitulationserklärung im Kampf zwischen hemmungsloser Kalorienaufnahme und irgendwann einmal, in einem früheren Leben gefasster, so genannter “guter“ Vorsätze. Während der folgenden zwei Stunden kreuzen nicht nur, den Duft der großen weiten Welt verströmende Ozeanriesen aller Herren Länder den Kurs des Dampfschiffes, werden nicht nur die Kanalfähren, imposante Brückenbauwerke oder schmucke Villen am Ufer passiert. Nein, auch der Duft von Garnelen, gebratenem Roastbeef, Geflügel, Schwein oder Wild aller Arten von Vor- Nach- und Hauptspeisen, Suppen, Beilagen und Puddings steigen in die Nasen der Fahrgäste. Kurz gesagt, wer angesichts eines Buffets Angst bekommt, sollte dieses Schiff meiden. Noch deutlicher ausgedrückt, das Essen ist klasse.

plötzlich verwischen die Gedanken

plötzlich verwischen die Gedanken

Beim Rundgang durch das nostalgische Schiff ist die Chance sehr groß ins Träumen zu verfallen. Die Schaufelräder, die durch große Glasscheiben aus dem Deck heraus beobachten werden können, vermitteln ein Gefühl von der Kraft die über die Schiffsmaschine erzeugt wird. Und beim Drehen der Räder verwischen plötzlich die Gedanken und eilen weit, weit weg, an die Ufer des Mississippi, hin zu den Gefährten der Kindheit. Tom Sawyer, Huckleberry Finn, dem letzten der Mohikaner, Old Schatterhand und Winnetou.
Ob es draußen wohl Krokodile gibt?

Peter Herzog, der Maschinist der Freya erzählt beim Besuch im Maschinenraum: „Siebeneinhalb Jahre fahre ich nun auf der Freya, früher bin ich als Binnenschiffer auf der Elbe gefahren. Hier habe ich auch meinen Befähigungsnachweis für Dampfmaschinen bekommen“. Und nicht ohne Stolz fügt er hinzu:“ Der Bootsmann und ich, wir sind wie die Maschine ein Teil des ganzen, hier unten halten wir beide das Schiff zusammen“.

im Maschinenraum

im Maschinenraum

Im Jahre 1905 läuft die „Freya“ als „Westerschelde“ bei der J. & K. Smidt Werft in Kinderdijk, Holland vom Stapel. In ihrem wechselvollen Seemannsleben versorgt sie zuerst die Insel Zeeland, dann dient sie als königliche Jacht ihrer Majestät Königin Wilhelmina von Zeeland und übersteht die eine oder andere Havarie. Schließlich droht der Schweißbrenner des Schrotthändlers der mittlerweile über 80 Jährigen. Gerettet wird sie durch den Rotterdammer Clemens Key. Vollständig renoviert läuft die Freya ab 1990 unter dem Namen „De Nederlander“ im Hafen von Rotterdam für exklusive Charter-Fahrten. Ihren 100. Geburtstag erlebt sie im Kieler Hafen, welcher bereits seit 1999, dem Jahr ihrer Umbenennung auf den Namen Freya, ihr Heimathafen ist.

vor der Schwebefähre

vor der Schwebefähre

Neben dem Nord-Ostsee-Kanal sind die Elbe und die Kieler Förde die bevorzugten Reviere der Freya. Begleitfahrten zur Kieler Woche oder dem Hamburger Hafengeburtstag können ebenso übers Internet gebucht werden wie Fahrten während der Rostocker Hanse Sail, Fahrten, auf den Spuren des Matjes oder Schlemmerfahrten in der Kieler Förde. Nach der Buchungsoption übers Internet wird die Reise allerdings in der realen Welt angetreten.

volle Kraft voraus

volle Kraft voraus

Und so ertönt dann plötzlich und unverhofft wieder einmal einer der mark-erschütternden, gellenden Pfiffe aus der Dampfpfeife hinter dem Steuerstand und das komplette Ruderhaus ist in weiße Schäfchenwolken gehüllt. „Achtung“ verkündet überall laut vernehmbar unser Mädchen aus Jopi Heesters Generation. Vermutlich verschafft sie sich gerade vor einem jener Ozeanriesen Respekt.


54.336957,10.157071
Liegeplatz der Freya, Blücherbrücke, 24105 Kiel, Deutschland

Naturwunder Bergwelt
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Faszination der Berge gezeigt im Bild

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Schleswig und die Schlei - von Schloss Gottorf bis Schleimünde
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