Alle Leinen los!

Text und Fotos: Stephan Käufer
Unter einem grauen Himmel

Unter einem grauen Himmel

Schreiend umkreisen Möwen unter einem grauen Himmel die Schiffe. Die Schiffe, das sind die „Pippilotta“, die mit der „Lovis“ nebeneinander, an der Pier liegt. „Petrine“ und „Neerlandia“ liegen hinter ihnen, die „Gotland“ vor ihnen. Die Glocken der Kappelner Sankt Petri Kirche beginnen zu läuten, während der Hafen erwacht. Auch in den Jachten, die längs der Pier und in den Segelhäfen liegen, stehen erste gähnende und sich reckende „Sailors“ an der Reling. Sie begrüßen den neuen Tag, beäugen misstrauisch den Himmel und hoffen drauf, dass der Wind auffrischt. Irgendjemand versucht einen Außenbordmotor anzuwerfen, knatternd und grauen Rauch hustend, schickt sich dieser an seinen Job zu erledigen. Bleiern liegt die Schlei in ihren Ufern. Zwei etwa 14 jährige Jungen kommen mit riesigen Brötchentüten vom Bäcker, streben einem der Schiffe zu.

Pippilotta

Pippilotta

„Pippilotta und Co.“ gehören zu einer Flotte von Traditionsseglern, die in allen deutschen und europäischen Häfen entlang der Nord- und Ostseeküsten zu Hause sind. Viele Schiffe gehören Vereinigungen wie der STAG, der Sail Training Associaton Germany oder den Tall Ship Friends an aber wesentlich mehr gehören Privatinitiativen oder einzelnen Eignern. Alle vereint die Freude an der Bewahrung des maritimen Erbes und jede Menge Romantik. Auf ihnen überflüssig sind Dinner Jackett und Abendgarderobe. Wichtig sind Fleecejacke, Mütze und die Fähigkeit, sich in eine Gemeinschaft einzufinden.

Großklaufall und Großpiekfall

Großklaufall und Großpiekfall

„Großklaufall und Großpiekfall müssen gemeinsam gezogen werden, damit die Gaffel waagerecht nach oben geht“, erklärt der 15- jährige René Bengs. René ist Moses an Bord der Pippilotta. Stolz, erklärt er seinem Publikum die Funktionsweise der Takelage. Die „Takelage“, das sind all die Seile, Taue, Fallen usw. die zur Bedienung der Segel erforderlich sind. Hin und wieder unterstützt ihn Hartwig Schroeder, der Eigner der „Pippilotta“. Seine „Zuhörer“ sind das über 60 jährige Pärchen aus dem Ruhrgebiet, die etwa 50- jährigen Freunde aus Hessen, die Studentin aus Schleswig Holstein und etwa ein Dutzend weitere Freizeit - Seemänner und Seefrauen aller „Altersklassen“. Der Zufall hat sie an Bord der „Pippilotta“ vereint. Mit der Großklau ist die Gaffel am Mast befestigt. Wenn das Großpiekfall, also das Seil (Fall) das am Ende der Gaffel (Großpiek) befestigt ist, schneller gezogen wird als das Großklaufall, dann verklemmt sich die Gaffel und das Segel kann am Mast nicht mehr in die Höhe gleiten. Teamarbeit und die Rücksichtnahme aufeinander werden an Bord großgeschrieben. Jeder packt mit an, keiner muss, jeder wie er kann. Einen Job gibt es für jeden, ob als Rudergänger, beim Bedienen der Segel, in der Kombüse oder der Navigation.

Beim Bedienen der Segel

Beim Bedienen der Segel

Dann gleiten die Segel in die Höhe. „Pippilotta“ durchpflügt die Ostsee auf nördlicher Bahn. Ihr Kurs ist abgesteckt auf die dänische Südsee und nur der Wind und der Kapitän bestimmen, wo sie den Abend verbringen wird.

Als „dänische Südsee“ oder auch als „Südfünisches Inselmeer“ wird das Seegebiet südlich der Insel Fünen und zwischen den Inseln Mön und Alsen bezeichnet. Die vielen kleinen und großen Inseln dort bieten Segler geschützte Buchten, mit oft malerisch anmutenden Häfen.

Kleine Risse im Einheitsgrau

Kleine Risse im Einheitsgrau

Von Westen her bekommt das Einheitsgrau kleine Risse, weicht einem zarten Rosa, welches an manchen Stellen in ein kräftiges Orange übergeht. Unter Motor hat „Pippilotta“ die Insel Avernakoe verlassen, in deren Schutz sie die Nacht verbracht hat. Gegen 0615 Uhr wird mit Segelsetzen begonnen. Das Schiff läuft jetzt mit Kurs auf die Südspitze der Insel Alsen. Der Wind bläst mit Stärke drei. Bei etwa 3,2 Knoten Fahrt, liegt um 0738 Uhr Skjoldnaes Leuchtturm auf der Nordspitze der Insel Aeroe an Backbord querab. Der Geruch gebackenen Brotes und frisch aufgebrühten Kaffees wabern durch das Schiff, vereinen sich und sorgen dafür, dass auch die letzten Langschläfer den Weg aus den Kojen finden. Die Ruderwache frühstückt am Ruder, alle anderen unter Deck in der Messe. Unterdessen zerteilt der Bug des Segelschiffes ruhig die See. Wildgänse ziehen am Himmel dahin, auf der Kimm als kleiner Farbtupfer ein rostbraunes Segel. Gedanken entschwinden beruhigt in die Ferne, vereinen sich am Horizont mit den Möwen oder den Wolken, hinter denen immer größere Flecken blauen Himmels sichtbar werden. Gleichförmig bewegt sich das Schiff in einem ständigen Auf und Ab. Langsam frischt der Wind auf.

Wind mit stärke 3

Wind mit stärke 3

Der 3-Mast-Gaffelschoner „Pippilotta“ verfügt über 36 Kojen und kann bis zu 11 Knoten etwa 20 Km/h schnell segeln. Sie ist vom Bundesforum Kinder- und Jugendreisen zertifiziert und mit einem Stern ausgezeichnet. Die Möglichkeiten des Mitsegelns auf Traditionsschiffen sind vielfältig. Ähnlich wie auf der „Pippilotta“ geht es auf Schiffen wie der erwähnten „Lovis“ zu. Weniger familiär ist das Mitsegeln auf den „großen Windjammern“ wie der „Krusenstern“ oder der „Mir“, die der russischen Fischereiflotte angehören. Auch auf der durch die Werbung bekannten „Alexander von Humboldt“, besteht die Möglichkeit anzuheuern.

Auf vielen Schiffen kann angeheuert werden

Auf vielen Schiffen kann angeheuert werden

„Du musst mal ein klein wenig mehr nach Backbord, da vorn kommt schon wieder ´ne Jacht“, sagt Sabine Katzor zu Stefanie Schneider, die momentan als Rudergängerin das Steuerrad der „Pippilotta“ führt. Sofort folgt Steffi dem Befehl und „Pipilotta“ fällt nach Backbord ab. „So bin ich erstmal zufrieden, zu nah darfst Du nicht ran“, quittiert die Schiffsführerin die neue Ruderlage. Beim Einlaufen in die Flensburger Förde nehmen die Segelpyramiden zu, erhöhte Wachsamkeit ist erforderlich.

Einlaufen in Flensburg

Einlaufen in Flensburg

Die „Pippilotta“ nähert sich ihrem Etappenziel, das Ende der Seereise naht und nach kurzer Liegezeit werden wieder Kirchenglocken ertönen, diesmal vielleicht begleitet von Sonnen-strahlen während Möwen mit ihrem Schreien das Locken der Ferne verkünden. Auch Brötchenduft wird sich wieder mit waberndem Kaffeegeruch vereinen, um irgendwelche Langschläfer aus den Kojen zu schmeißen. Festmacherleinen, Fallen und Schoten werden sich bewegen und Segel in die Höhe gleiten, wenn das Kommando ertönt: „Alle Leinen los!“


54.6582737,9.935005
24376 Kappeln, Deutschland

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