Stadtluft macht frei

Text und Fotos: Stephan Käufer
Welfenschloss mit Werrabrücke

Welfenschloss mit Werrabrücke

Der Fluss rauscht. Schaumgekrönte Wellen branden auf. Zwängen sich eilig ansteigend durch ein enges Bett hindurch, um gleich drauf in einem breiteren und tieferen Becken in sich zusammenzufallen. Nach kurzer Verschnaufpause verengt sich das Flussbett erneut. Und ein weiteres Mal steigt die Flussgeschwindigkeit. Nun folgt eine Fischtreppe, eine Bootsgasse. Inseln versperren der Flut den Weg. Teilen, nein zwingen sie in drei Läufe. Unterschiedlich breit, unterschiedlich schnell, unterschiedlich laut. Das Rauschen schwillt erneut an. Hallt wieder und verhallt gleichzeitig in den Bäumen. Wie im Walzertakt tanzt der Schaum jetzt auf den Wellen. Von rechts kommt jetzt weiteres Wasser hinzu. Ebenfalls unterbrochen durch eine Insel, eher eine Sandbank. Zwei Flüsse finden zueinander. Gemeinsam erreichen sie jetzt die Spitze der Insel, einer wirklichen Insel, welche jenen ersten Fluss -die Fulda- weiter oberhalb teilt. Etwas Neues ist entstanden, Engstellen, Stromschnellen, Schleusen sind überwunden. Werra und Fulda haben zueinandergefunden. Das Tal, die Landschaft weitet sich, der Fluss –die Weser- wird zum Strom. Ohne Eile fließt sie der Nordsee entgegen.

Fuldaufer

Fuldaufer

Im Länderdreieck zwischen Hessen, Niedersachsen und Nordrhein Westfalen im niedersächsichen Hann.Münden vereinigen sich Werra und Fulda um die Weser zu bilden. Inmitten weiter Waldgebiete, etwa 20 Kilometer nördlich von Kassel und ähnlich weit südwestlich von Göttingen gelegen, besticht die Alststadt mit über 700 Fachwerkhäusern aus mehreren Jahrhunderten.

Bürgerstolz und Berufsehre

Bürgerstolz und Berufsehre

„Wir hatten hier nie einen großen Stadtbrand, und auch von Bombenangriffen während des Krieges blieb Hann. Münden verschont. Deshalb existieren hier noch so viele „Ensemble“ schöner Fachwerkhäuser in einer Dichte, wie man sie ansonsten selten findet“, erzählt Martina Pakusch. Die 56 – Jährige, die ein paar Kilometer unterhalb Hann. Mündens an der Weser lebt, beschäftigt sich schon seit Jahren mit dem Fachwerkbau in der Altstadt von Hann. Münden. Wenn man entspannt durch die schmalen Gassen schlendert, wird so mancher Giebel redselig und die uralten Balken beginnen zu erzählen. Berichten von Bürgerstolz und vom Reichtum ihrer Erbauer. Sie rühmen die Berufsehre der Zimmerleute, welche die Rähmbalken, die Pfosten, Streben oder Sparrenköpfe oft kunstvoll schmückten. Viele Häuser, eine Besonderheit der Dreiflüssestadt, sind verziert mit an Seile oder wie kleine Boote anmutende Schnitzereien. Erinnern so an den wichtigen Berufsstand der Weserschiffer.

Schnitzereien wie kleine Boote

Schnitzereien wie kleine Boote

Handel und mit ihm das Privileg des im 13. Jahrhundert verliehenen Stapelrechtes bescherten der Stadt einen über die Jahrhunderte wachsenden Wohlstand. Das Stapelrecht verlangte von allen auf den drei Flüssen durchreisenden Kaufleuten, den Mündener Bürgern ihre Waren drei Tage lang zum Kauf anzubieten. Wohlstand lässt vieles gedeihen. Zimmerleute und Maurer siedeln sich an. Bürger und Handelshäuser entstehen. Flüsse, auf denen die Waren transportiert werden, sind die Fernstraßen des Mittelalters und der frühen Neuzeit. Boote werden benötigt, Werften wachsen, mit ihnen neue Berufe. Handwerk und Handel befruchten sich gegenseitig, eine Gesellschaft entwickelt sich, wird selbst- und standesbewusst.

Selbst- und Standesbewusst

Selbst- und Standesbewusst

Immer werden Besitz und Wohlstand von Neid, Missgunst, Raub und Schlimmerem begleitet. Als Antwort umgeben sich die Städte mit Mauern. „Die Mündener Stadtmauer war stellenweise bis zu sechs Meter hoch und bis zu drei Meter dick. Mit sechsundzwanzig bewehrten und bewachten Türmen wurde sie gesichert“, erzählt Martina weiter. Nur einmal, an Blutpfingsten 1626, wurde die Mauer durch die Söldner Tillys überwunden. Was folgte war furchtbar. „Heute werden Mauern vielleicht als einengend empfunden, früher boten sie den Menschen Schutz und Geborgenheit“, ergänzt Pakusch nachdenklich um anzufügen: „Stadtluft macht frei“.

Kleine Inseln der Ruhe

Kleine Inseln der Ruhe

Gastlichkeit und Blumenschmuck

Gastlichkeit und Blumenschmuck

Fachwerkstädte wie Hann. Münden sind in dieser grenzenlosen und unüberschaubaren Zeit kleine Inseln der Ruhe. Die beseelten, romantisch anmutenden, fantasievollen Fachwerkbauten in ihrem geschlossenen Gesamtbild verleihen Hann. Münden ein einzigartiges Flair. Das Welfenschloss mit seiner Fayencenausstellung ebenso wie die drei Flüsse tun das Ihre dazu. Neben dem Kulturellen kommt auch das Sportliche nicht zu kurz. Kanufahren, Wandern, Fahrradfahren in den scheinbar unendlichen Wäldern des nordhessischen Berglandes sind weitere Optionen in der Region Erholung zu finden. Im Fachwerk Fünfeck haben sich die Städte Duderstadt, Einbeck, Northeim, Osterode und Hann Münden zusammengeschlossen, allesamt sehenswert und jede auf ihre Art einzigartig.


51.417449, 9.650534
Hann. Münden, Niedersachsen

Faszination Fachwerk - an Weser und Ilme
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Faszination Fachwerk - wenn es dunkel wird
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