Alles da um glücklich zu sein

Text und Fotos: Stephan Käufer
Hotel de Ville

Hotel de Ville

Gleichmäßiges Klopfen dringt aus dem offenen Fenster in der roten Backsteinwand. Richtig dicke Koteletts mit realen, kräftigen Knochen haut der Mann auseinander. Nicht die dünnen mit Plastikfolie umwickelten, die im Supermarkt auf der grünen Wiese im Regal liegen. Um´s Eck herum durch die großen Fenster der Boucherie - der Metzgerei - lachen verführerisch die Pasteten, lockt der Schinken und die Fleischtörtchen lassen alle guten Vorsätze vergessen. Ein paar Meter weiter, vor der Brasserie auf dem Trottoir in der frühen Vormittagssonne, sitzen die ersten Gäste schwatzend beisammen. Schüchtern versucht auch ein Pernod seine Anwesenheit auf dem kleinen Kaffehaustisch, so früh am Tag, zu rechtfertigen. Auf der anderen Straßenseite an der Mairie von Viller sur Mer hängt die blau-weiß-rote Trikolore schlaff an ihrem Stock.

das Maß ist voll

das Maß ist voll

Schließlich in der Boulangerie, der Bäckerei angekommen, läuft das Maß an Verführung endgültig über. Himmlisch duftend, aufgereiht, senkrecht stehend, angetreten wie Zinnsoldaten die Baguette. Daneben die Laibe des dunklen, kräftigen Landbrotes. Auf der Theke die Brioche, die Croisssants, die Schokocroissants, die Rosinencroissants, die Apfel-, Himbeer- Blaubeertörtchen. Mann, mann bei der Auswahl ist das Leben unendlich schwer.

Westlich von Deauville an der Cote Fleurie in der Normandie liegen die Ortschaften Viller- und Blonville sur Mer. Eine gute halbe Autostunde ist es bis Caen, der mittelalterliche Wandteppich von Bayeux –Weltkulturerbe- ist nach wenig mehr als einer Autostunde zu erreichen.

Bayeux

Bayeux

Feinsandig und breit sind die langen Strände. Bei Ebbe kann sich das Meer bis zu einem Kilometer vom Strand zurückziehen. Doch keine Sorge, nach ein paar Stunden ist es bisher immer wieder zurück gewesen. Die immergrüne, fruchtbare, Wiesen- und Heckenlandschaft „Bocage“ des Pays d´Auge, hier in der „Basse Normandie, beginnt direkt hinter den letzten Häusern.

„Dieser Geruch ist der Engelsanteil“, erklärt Karina Leveziel. Nicht unangenehm, leicht süßlich, nach Alkohol und Äpfeln duftend, erfüllt der „Engelsanteil“ die riesige Halle. Es sind die etwa 2% Flüssigkeit, die bei der Lagerung des Calvados aus den traditionellen Eichenfässern verdunsten, die gönnerhaft „Engelsanteil“ genannt werden. Seit nunmehr elf Jahren lebt die in Dänemark aufgewachsene und mit einem Franzosen verheiratete, energische 38-jährige im Pays d´Auge. Doch der Reihe nach. „Die Holzmühle hier ist mehr als 250 Jahre alt. Sie ist etwas Besonderes.

traditionelle Eichenfässer

traditionelle Eichenfässer

Die meisten Apfelmühlen sind aus Stein“, beginnt Karina in gutem Deutsch ihre Erzählung in dem kleinen, der Calvadosherstellung gewidmetem Museum. In der Mühle werden die speziellen sehr safthaltigen Calvados-Äpfel zerkleinert. Der entstandene Apfelbrei wird anschließend, oder besser –wurde- anschließend, in Jute-Säcke verpackt unter einer Presse ausgequetscht. Heute geschieht die Zerkleinerung und Pressung der Äpfel maschinell, aber noch bis in die 50-iger Jahre des letzten Jahrhunderts war bei Père Magloire die Holzmühle, angetrieben von Ochsen, Pferden oder Eseln, im Einsatz. Der gewonnene Saft wurde nun, und das wird er auch heute noch, bis zu vier Monate gelagert. Nach Abschluss der nach etwa einem Monat einsetzenden natürlichen Gärung ist aus dem Saft ein Cidre mit etwa 4% Alkoholanteil geworden. „Der Cidre wird bei uns zwei Mal destilliert“, erläutert die 38- jährige. Neben der natürlichen Gärung ein weiteres Qualitätsmerkmal des Calvados aus dem Pays d`Auge. Der jetzt fertige Apfelbrand wird schließlich in Eichenfässern gelagert, so kommt er zu seiner Bernsteinfärbung. Zweijährig gelagerter Calvados wird als „Fine“ bezeichnet, nach vier Jahren Lagerung bekommt er das Prädikat VSOP, und nach mindestens neun Jahren erhält der Calvados bei Magloire die Auszeichnung XO. In anderen Brennereien geschieht dies oft bereits nach sechs Jahren.

Yachthafen

Yachthafen

Begleitet vom Geschrei der Möwen schiebt sich mit der ansteigenden Flut eine Segeljacht in die Mündung des Touques. Der Fluss trennt die Städte Daeuville und Trouville sur Mer. Während Deauville als die elegante beschrieben wird, gilt Trouville als die bodenständigere. Casinos, schicke Hotels und einen breiten, feinsandigen Strand, nur durch die Flussmündung unterbrochen, gibt es in beiden. Alexandre Dumas oder Gustave Flaubert sowie viele Impressionisten suchten in Trouville Inspiration. Verführerisch ausgestellt und geschickt drapiert vor der Fischhalle am Hafen, lockt fangfrischer Fisch in das ehemalige Fischerdorf Trouville. Das Amerikanische Filmfestival bringt Hollywoodglamour und internationale Stars und Sternchen alljährlich Anfang September in die Nachbarstadt. Während des ganzen Sommers locken zahlreiche Veranstaltungen: Pferderennen, Segelregatten, Golfturniere und auch das luxuriöse Ambiente nach Deauville.

ein wenig Hollywoodglamour

ein wenig Hollywoodglamour

Natur, Glamour, Lebensart. Romantisch verspielte Villen, die Ruhe und Gelassenheit ausstrahlende Bocage. Das abkühlende Bad im Meer und die fast schon qualvoll - riesige Auswahl unbekannter Köstlichkeiten bei Bäcker, Fleischer oder in der kleinen Chokolaterie. Leben wie Gott in Frankreich. Vielleicht bringt es Karina Leveziel ja auf den Punkt wenn sie ein wenig nachdenklich meint: „Die grünen Hügel und den Strand liebe ich, wir haben hier alles um glücklich zu sein, und nach Paris sind es nur zweieinhalb Stunden“.


49.365682,0.080585
Trouville-sur-Mer, Normandie, Frankreich

Okzitanien - Katharerland
Okzitanien - Katharerland

Reise in den Südwesten Frankreichs

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