Wo Mandeln und Honig sich in Leidenschaft vereinen

Text und Fotos: Stephan Käufer
Hochebene des Vaucluse

Hochebene des Vaucluse

Müde und mit schwerer Last, auf den beiden Anhängern schleicht der kleine Traktor über die enge, kurvenreiche Straße. Alt ist er und verbeult, und würde er einmal auf ein Treffen gehen, auf eines wo sich all die anderen alten Trecker einmal im Jahr treffen, wäre er bestimmt einer der ältesten. Rost hat er angesetzt in all den Jahren, doch seine Gelenke sind gut geschmiert und Kraft hat er immer noch. Die braucht er auch, um all die Dinge zu schleppen, die die Menschen ihm anvertrauen. Die dunkelroten Weintrauben, den gelben Honig, den lilafarbenen Lavendel aber vor allem die aromatischen Mandeln. Ja, die Mandeln! Wie liebt er es, wenn der warme afrikanische Wind vom Mittelmeer her kommend, angehoben von den Bergen des Luberon, über die Hochebene des Vaucluse streicht. In dem Wind summen dann, lustig tanzend, Abertausende kleine Bienen zwischen dem wogenden Meer rosafarbener Mandelblüten. Nur um das zu sehen, ist er jedes Jahr aufs Neue bereit all die schweren Körbe und Kisten mit den geernteten Mandeln Heim zu bringen, so wie jetzt.

L´Isle sur la Sorgue

L´Isle sur la Sorgue

Etwa 10 Kilometer östlich von Avignon öffnet sich trichterförmig das „Plateau de Vaucluse“. Nördlich grenzt es an den „Riesen der Provence“, den mit 1.909 m höchsten Berg der Provence, den Mont Ventoux. Im Süden wird die Hochebene durch den Höhenzug des Luberon begrenzt. Städtchen, wie das vom Fluss Sorgue eingeschlossene L´Isle sur la Sorgue, das ockerfarbene sich an einen Hügel schmiegende Gordes oder die inmitten von Lavendelfeldern thronende Zisterzienserabtei von Senanque fühlen sich wohl im Vaucluse. Eher unscheinbar gibt sich das etwa 25 Autominuten nördlich der Abtei gelegene Saint Didier.

wohlriechender Duft steigt auf

wohlriechender Duft steigt auf

In dem großen Kupferkessel zischt es, wohlriechender Duft steigt auf. Der zugegossene Whiskey hat die köchelnde Masse abgelöscht. „Die Provence ist das Beste. Die Sonne, die Gerüche, und das Meer ist nicht weit“, Antoine Hurion kommt ins Schwärmen.“Sicher, wenn du jung bist, die Taschen voller Geld, ein paar Mädchen … ist Paris nicht schlecht“ Antoine ist in Paris geboren und liebt das Leben. Antoine ist Patissier und hat in Arizona, auf Mauritius, Ägypten und in Spanien gearbeitet. Rumgekommen ist er, und er kennt die Welt. Deswegen weiß er, was gut „das Beste“ ist. Mittlerweile ist der Franzose ruhiger geworden. Nun ist er 50, hat eine liebe Frau, drei Söhne und ist gerade damit beschäftigt bei den Brüdern Silvain in Saint Didier „Nougalette“ zuzubereiten. Antoine ist zufrieden, mit sich, der Welt und vor allem mit seinem Teig, dessen Grundbestandteil der Honig ist.

Grundbestandteil Honig

Grundbestandteil Honig

Jetzt wo die „Masse“ gelöscht ist, kommen die Mandeln dazu und werden von Hand, das ist wichtig, mit einem großen hölzernen Löffel untergerührt. Aus welchen Zutaten die „Masse“ besteht, wird nicht verraten, das Rezept ist geheim und wird in der Familie Silvain von Generation zu Generation weiter gereicht. Dann kommt alles in eine große hölzerne Form und zum Schluss wird der Teig mit Oblaten abgedeckt. Nun müssen die „Nougalette“ nur noch aushärten.

Es ist das Beste der Provence, was für die Nougalette und den Nougat von Pierre und Philippe Silvain gerade gut genug ist. Als Nachfahren eines alten Bauerngeschlechtes üben die Mandeln, einst wichtigstes Exportprodukt der Region, doch im letzten Jahrhundert durch den Weinanbau immer mehr verdrängt, eine große Faszination auf die Brüder aus. So beschlossen sie selber, wieder Mandelplantagen anzulegen und diese nach ökologischen Gesichtspunkten, nachhaltig zu bewirtschaften. Auf den Steinigen, kalkhaltigen Böden um den sonnigen Mont Ventoux gedeihen die einst von den Griechen aus Kleinasien eingeführten Pflanzen prächtig. Im Einklang mit der Natur produzieren die Brüder die wichtigsten Rohstoffe für den in ihrer Manufaktur hergestellten Nougat, –Mandeln und Honig- denn die beiden sind auch Imker, selbst.

nur das Beste der Provence

nur das Beste der Provence

Nachdem die Mandeln vom Baum geschlagen, in Tunnelöfen getrocknet und dann von ihrer Schale befreit sind, werden sie ohne die Zugabe von Konservierungsstoffen naturbelassen in der Nougatmanufaktur weiterverarbeitet. So können die Früchte ihr ganzes Aroma entfalten ein leidenschaftliches Gedicht und Symbol für das Besondere, das uns die Natur schenkt, sind die Eigenkreationen aus weißem Nougat mit schwarzen Oliven gespickt und mit Rosmarin verfeinert.

Das Lila des Lavendels, die rubinroten Weinreben oder das silbrige Grün der Mandelbäume. Die kunstvoll aufgeschichteten, uralten Trockenmauern, die pastellfarbenen Klappläden oder das gleichmäßige gewellte Auf und Ab der tonfarbenen, gebrannten Dachziegel. Die Zeit steht still wenn die alten Männer unter den noch älteren Bäumen ihre Boulekugeln werfen, die Gouloise qualmend im Mundwinkel, immer zu einem Schwätzchen bereit. Es ist das Ewige: „Wie Gott in Frankreich“ das man um den alten Brunnen sowie im Schatten des Kirchturms von Saint Didier finden kann. Nichts Spektakuläres nur Einfaches, Ungekünsteltes. Und Ruhe.

Avignon nicht weit

Avignon nicht weit

Nicht weit ist es ins quirlige für seine Trüffel und den Freitagsmarkt bekannte Carpentras. Auch Avignon mit dem Papstpalast oder Salon-de-Provence in dessen Mauern der große Seher Nostradamus lebte sind einfach zu erreichen. Doch unseren Traktor zieht es dort nicht hin. Der träumt, wenn er sein Tagwerk verrichtet hat und still in seinem Stall steht von all den Gerüchen dem Gesumme und den unwiderstehlichen Farben. Und ist zufrieden, mit sich und der Welt.


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L'Isle-sur-la-Sorgue, Frankreich

Okzitanien - Katharerland
Okzitanien - Katharerland

Reise in den Südwesten Frankreichs

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