Wolf im Schafspelz

Text und Fotos: Stephan Käufer
Wolf im Schafspelz

Wolf im Schafspelz

Es ist das Jahrzehnt der Beatles, der Hippies und des Vietnamkriegs. Die 60er Jahre des letzten Jahrhunderts, Goldene Jahre, Wirtschaftswunderjahre, Jahre des Aufbegehrens, Protestjahre, überall in Europa. Rocker, Mods, Halbstarke beherrschen nicht die Straße, sind aber in aller Munde. Nicht nur in englischen Vorstädten, nicht nur in privaten Garagen wird geschraubt, aber auch und ausgesprochen kreativ. An Motorrädern vor allem. Von Motorrad- und Technikbegeisterten. Das Ace Café im Londoner Nordwesten ist Kult. Das Record Race, bei dem die Strecke vom Ace Café zum nächsten Kreisverkehr und zurück in der Spielzeit einer Single (das sind die schwarzen Dinger aus Vinyl mit vorn und hinten nur einem Song drauf n Plattenspieler ist zum Abspielen erforderlich) zurückgelegt werden musste, legendär. Mit diesem Lebensgefühl, vor diesem Horizont, entstehen Motorräder die Stilprägend einer Gattung ihren Namen geben. Café Racer. Umgebautes Serienmotorrad, kein Schnick-Schnack. Tiefer Schwerpunkt, flach gehaltene Silhouette, Stummellenker und offene Schalldämpfer sind die Hauptmerkmale des „Café Racer“.

Wollte schon immer Café Racer aufbauen

Wollte schon immer Café Racer aufbauen

„Ich wollt schon immer mal einen Café Racer aufbauen“, erklärt Gerd Bindl. Und diesen Wunsch hat sich der technikbegeisterte Franke erfüllt. Vielleicht nicht gerade so, wie man sich das im Zeitalter von Hubräumen in Maßkrug Größe im Allgemeinen so vorstellt, dafür wohlproportioniert. Gerd plaudert weiter: „Bei meiner Premiere auf dem Ötztal Moped Marathon (ÖMM) habe ich es auf einer Ciao, die ich für einen Kasten Bier bekam, ganze 5 Kilometer, bis kurz hinter das Ortsschild von Sölden, geschafft. Dann wollte das Moped nicht mehr. „Damit mir das nicht noch einmal passiert, habe ich nach etwas Zuverlässigem, einem Viertakter Ausschau gehalten. So bin ich im Internet auf die CB 50 von Honda gestoßen“, erzählt Bindl, der mit 23 Jahren seine Motorradkarriere auf einer 600er Kawa GPZ begann, weiter.

CB 50 von Honda

CB 50 von Honda

Ob bereits bei der Suche im Netz oder erst beim Date mit der schmalbrüstigen Lady, irgendwo muss wohl der Zündfunke übergesprungen sein. „Im Passat liegend habe ich das Mokick nach Hause transportiert,“ plaudert Gerd. „Da ich schon ne Harley habe, kam mir die CB 50 wie gerufen, denn damit rückte dann auch der Traum vom Café Racer in greifbare Nähe.“

Zuerst wurde die Maschine auf das Wesentliche reduziert. Da Gerd es genau wissen wollte, wurde der Motor komplett auseinandergenommen und sämtliche Lager ausgetauscht. Den Rahmen hat er neu gepulvert und den Tank innen und außen komplett „neu“ aufgebaut.

auf das Wesentliche reduziert

auf das Wesentliche reduziert

Schließlich kamen die Räder an die Reihe, die neu „gespeicht“ wurden. Irgendwas Fehlte noch… Jep, das Heck! Beim Stöbern in den unendlichen Weiten und fernen Galaxien des World Wide Webs stieß der Perfektionist auf ein geeignetes Hinterteil aus tschechischer Produktion. Ein wenig feilen etwas anpassen und Voila, der Traum vom Café Racer ist erfüllt. Tja und dann ist da noch die Lackierung. Klar, dass ein Bayrisches Madl auch in weiß blauen Rauten quergestreift geschmückt sein muss. „Den Hirsch-Skull (Schädel) habe ich statt des klassischen Skulls auch als Bezug zu Bayern gewählt und natürlich der Kolben… muss sein.“ Tja und dann der Name…: „Wuidara (Wilderer) passt am besten zu dem kleinen Wolf im Schafspelz“ erklärt Gerd mit einem Augenzwinkern. Ob der einsame Wolf das „Record Race“ in der vorgegebenen Zeit schafft, wurde noch nicht ausprobiert. Die 238 Kilometer 5000 Höhenmeter und fünf Klimazonen beim ÖMM hat die rührige Lady mit dem japanischen Herz und der bayrischen Tracht mittlerweile locker gemeistert.


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Miesbach

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