Unterwegs auf uralten Maurenpfaden

Text und Fotos: Stephan Käufer
Wolkenverhangene Gipfel

Wolkenverhangene Gipfel

In rötlich braun schimmerndem Panzer, die Scheren wie Schild und Lanze „El Cids“ kampfeslustig nach vorne gereckt, geht der Flusskrebs zum Angriff über. Die Schwanzflosse ragt wie das Panier eines christlichen Ritters in den Himmel. Ihm gegenüber, scheinbar völlig unbeeindruckt, steht ein Recke in Outdoorhose und Wanderstiefeln. Wägt der Recke ab, was da auf ihn zukommt? Beobachtet er nur? Unerwartet wird die Attacke abgebrochen. Das Krustentier ergreift die Flucht, flieht von dem Wanderweg, versucht sich im nahen Schilf des Feuchtgebietes in Sicherheit zu bringen. Warum? Erscheint ihm der Riese plötzlich unbezwingbar? Oder lassen die Füße der anderen Wanderer, die jetzt neugierig und um so vieles größer um den Krebs herum auftauchen, seinen Mut sinken? Der spanische Nationalheld und Ritter „El Cid“ der Valencia im Jahre 1094 von den Mauren befreite und die Region bis zu seinem Tod beherrschte, hätte vor ein paar Wanderern wohl kaum die Flucht ergriffen. Dem kleinen Flusskrebs im Feuchtgebiet Parc Natural de Marjal de Pega – Oliva sei es gestattet.

Balearenfähre

Balearenfähre

Die Gipfel der Serra de Montgo im Hinterland sind Wolkenverhangen. An den Leuchtfeuern auf den Wellenbrechern die die Hafeneinfahrt von Denia an der Costa del Azahar sichern, zerstäuben die ersten Brecher des aufziehenden Herbstes. Einsam sitzt die junge Frau auf den vom vergangenen Sommer noch warmen Steinen der Mole und schaut gedankenverloren der einlaufenden Balearenfähre hinterher. Im Rigg der mit zugezogener Persenning sicher vertäut dem nahenden Winter entgegenträumenden Jachten singt mit dumpfem Ton der stetig von Ost hereinwehende Wind.

Marina Denia

Marina Denia

Wenn die Hitze des Sommers zwischen September und Mai von angenehmen Temperaturen abgelöst wird, ist die Zeit gekommen die Strandtücher weg zu packen und die Wanderstifel hervor zu holen. Dann wird das unmittelbare Hinterland der Costa del Azahar Ziel ausgedehnter Wanderungen. Die ungezählten Gipfel der Sierras, die bis in Höhen von 1600 Meter ansteigen, sind durchzogen von jahrhundertealten Mauren-, Wildschwein- oder Ziegenpfaden. Diese oft befestigten und gut ausgeschilderten Wege eignen sich gleichzeitig für Rund- oder auch Fernwandertouren. Doch nicht nur die Sierras, auch die Küstenlandschaft mit ihren endlosen Stränden oder den Feuchtgebieten wie dem Parc Natural de L`Albufeira, in direkter Nachbarschaft zu Valencia, dem oben erwähnten Naturpark bei Pega oder den Lagunen bei Torrevieja garantieren, in unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden, spektakuläre An- und Aussichten, ursprüngliche Natur, Erholung und Fitness für Jung und Junggebliebene.

die Sierra

die Sierra

Am Ende der Carrer del Calvari, in der Ortschaft Genoves nahe der Stadt Xativa, steht der Leihwagen geparkt am Straßenrand. Die Orangen, die hier Ende September an den Bäumen in den Plantagen reifen, verströmen einen verführerischen Duft. Dann eine Wegmarkierung – PRV 193 Senda Serra de la Creu. Hier beginnt der etwa 10 Kilometer lange Rundwanderweg.

Hinter der Wegmarke geht es in duftenden Nadelwald, der Pfad ist steil, eng. An dieser Stelle des Weges lässt er nicht zu dass die Wanderer nebeneinander gehen. Es scheint als unterbindet der Wald von Anfang an jedes Gespräch. Er zwingt den Wanderer dazu, seinen Stimmen zu lauschen um Ruhe zu finden.
Der Fuß wird bedächtig gesetzt. Geröll bildet den Untergrund. Das Gras längs des Weges, ist vom Regen der letzten Tage durchfeuchtet, Farne erreichen die Knie. Sie streichen um Wanderstiefel und Hose wie eine schnurrende Katze, schaffen es aber nicht das Goretex- Material zu durchfeuchten.

Burg von Xativa

Burg von Xativa

Steil ist der Anstieg am Anfang des Weges. Weiter oben wird es leichter. Vom Gipfelkreuz dann, wie zur Belohnung, der Blick auf die Burg von Xativa. Im Verlauf des weiteren Weges wird der romantisch dahin fließende Rio Albaida erreicht. Auf der gegenüberliegenden Flussseite liegt die Grotte „Cova Negra“. Ingrid Lechner erzählt: „Die Grotte ist vom Wanderweg aus nicht direkt zu erreichen. Ein Besuch lohnt sich aber. Hier wurde vor ein paar Jahren der über 30.000 Jahre alte Schädel eines Neandertalers gefunden“ Ingrid Lechner lebt schon lange in Spanien. Wandern ist ihre Leidenschaft. So verwundert es nicht, dass sie mittlerweile drei Wanderführer über die Region veröffentlicht hat.

Am Rio Albaida

Am Rio Albaida

Wieder zurück im „Parc Natural de Marjal de Pega - Oliva“ eine sumpfige, flache Auenlandschaft. Berge die Tribut an Kondition und sicheren Tritt fordern gibt es nicht. Die Vegetation ist vollkommen anders. Insekten, Sumpfpflanzen und allerhand Getier bannen hier das Interesse des Wanderers. Fernsicht gibt es nur auf die Gipfel der Berge im Hinterland. Doch Vorsicht ist auch hier geboten. Irgendwo im sumpfigen Gelände zwischen abgebrochenem Schilfröhricht und vermoderten Baumstümpfen lauert er. Irgendwo dort, längs des Wanderweges, in rotbraun schimmerndem Panzer. Ein tapferes Herz schlägt in seiner Brust die Scheren wie Schild und Lanze kampfeslustig zum Angriff gesenkt, der unerschrockene Flusskrebs „El Cid“.


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Subida al Castillo, Xàtiva, Valencia, Spanien

Kalender von Stephan Käufer
Reisekalender

Momentaufnahmen und Impressionen. Meine Lieblingsmotive aus den Themenbereichen Reise, Motorrad und Oldtimer. Zusammengefasst und präsentiert als hochwertiger Wandkalender.

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