Fährmann hol über

Text und Fotos: Stephan Käufer
Die „Bergheimer Fähre“

Die „Bergheimer Fähre“

Wie Prismen brechen die Wellen der Sieg das tausendfach spiegelnde Licht der warmen Frühlingssonne. Mit scharfem Schnitt teilt ein Paddelblatt den Wellenrücken. Kraftvoll zieht die junge Frau das Paddel am Kanu entlang. Vier, fünf weitere Paddelschläge, und das gelbe Boot ist am Fährnachen vorüber. Ein Konterschlag, das Kajak dreht sich quer zur Strömung, und nach weiteren Paddelstößen schiebt sich der Bug des Bootes sanft auf die Kieselsteine des flachen Ufers. Aussteigen, das Kajak auf das Ufer ziehen, und den Blick prüfend zum Gebäude der Gastwirtschaft oberhalb des Fähranlegers schweifen lassen sind eins. Ja, es sind noch ein paar Tische und Stühle auf der Terrasse frei.

Nur wenige Kilometer bevor die Sieg in den Rhein mündet, verbindet die „Bergheimer Fähre“ eine Seilfähre seit Jahrhunderten die Ufer der Städte Troisdorf und Bonn miteinander. Überflüssig geworden durch den Neubau einer Landstraße und die damit einhergehenden Brückenbauten, haben jedoch Tradition, Nostalgie und die Liebe der Bevölkerung dazu beigetragen, dieses Kleinod zu erhalten.

verbindet Troisdorf und Bonn…

verbindet Troisdorf und Bonn…

„Junge du musst nach unten gehen, dann können wir auch ablegen“, in breitester Mundart und mit rheinischer Gelassenheit fordert der Fährmann den Spaziergänger auf, vom Vorschiff in die Gierfähre hinab zu steigen. Gemessenen Schrittes folgt Matthias Mertens seinem Fahrgast ins Boot. Später, am langen Arm des Ruders stehend, erzählt Mertens, der Fährmann, dass er den Nachen von seinem Vater und seinem Ohm, dem Onkel, vor mehr als fünfunddreißig Jahren übernommen hat. „Die beiden waren Fischer und hatten auf dem Rhein vier Aalschokker“, erzählt der Rheinländer stolz. Bis in die sechziger Jahre gab es auf dem Rhein noch viele Berufsfischer. Ganze Familien lebten vom Fischfang. Mit den Aalschokkern, kleinen zum Fischfang ausgelegten Booten mit einem Mast, fuhren die Männer auf dem Rhein um Netze und Fanggeschirre auszustellen. So wurde dem 79- jährigen das Leben auf dem Wasser bereits in die Wiege gelegt. Heute noch gehört er der Fischereibruderschaft Bergheim, einer der ältesten zunftähnlichen Vereinigungen Deutschlands, an. Während er erzählt, geht sein Blick über die Sieg. Gedankenverloren, scheint vor seinem inneren Auge eine Zeit wiederzukehren, in der auf dem Rhein die großen Dampfschlepper und Raddampfer, riesige Qualmwolken hinter sich herziehend, stromaufwärts ziehen. Oder, im Winter, die Kinder mit Schlittschuhen auf den gefrorenen Auengewässern und Altarmen der Sieg ihre Kreise ziehen.

Gier- oder Seilfähre

Gier- oder Seilfähre

Denkbar einfach funktioniert eine Gier- oder Seilfähre. Von Ufer zu Ufer ist ein Stahlseil gespannt. Über dieses Seil läuft eine Rolle. An der Rolle ist ein weiteres Stahlseil befestigt, welches wiederum mit dem Bug des Fährnachen verbunden ist. Durch das beweglich angebrachte Seil, sowie durch die Ruderstellung, kann der Fährmann bestimmen, in welche Richtung sich der Nachen bewegen soll. Kommt durch die Strömung des Flusses Druck auf das Boot, will dieses dem Druck ausweichen und es entsteht Vortrieb. So bewegt sich das Boot ohne Einsatz eines Hilfsmotors. Nur wenige, nach diesem Prinzip konstruierte Fähren existieren heute noch an Elbe, Weser, am Rhein bei Basel sowie an der Donau.

Fährmann Mertens

Fährmann Mertens

„Am Montag war der Blüm noch hier. Bald hundert Mal ist der schon mitgefahren“, erzählt Mertens weiter, während der Prahm das andere Ufer erreicht. Mit „der Blüm“ ist der ehemalige Arbeits- und Sozialminister Dr. Norbert Blüm gemeint. Zusammen mit seiner Frau kann man ihn häufig Fahrrad fahrend im Naturschutzgebiet Siegauen antreffen.

Sacht hört man leises Platschen. Zwischen den tief auf das Wasser herabhängenden Zweigen sind leichte Wellenbewegungen zu erkennen. Eine Libelle tanzt zwischen den Sträuchern, für Mücken ist es zu früh im Jahr. Etwas weiter entfernt spritzen flügelschlagend ein paar Enten aus dem Wasser. Steigen, unverständliches Zeugs schnatternd, gleichmäßig in die Luft. Was hat sie aufgeschreckt? Ein kleiner pelziger Kopf taucht an der Wasseroberfläche auf. Kleine braune Äuglein blinzeln um sofort wieder unter der Wasseroberfläche zu verschwinden. Das Augenpaar gehört zu einem Nutria. Seit ein paar Jahren sind die biberähnlichen Nager in der Auenlandschaft heimisch. Aus Südamerika stammend, weis niemand so genau wie die Tiere den Weg hierher gefunden haben. Da Multikulti aber im Rheinland, und ganz besonders in der Nähe von Köln, groß geschrieben wird und die Tiere ja auch niemandem was zuleide tun … „Herzlich willkommen auch dir, liebe Familie Nutria!“

Naturschutzgebiet Siegauen

Naturschutzgebiet Siegauen

Von der Siegmündung über die Altarme „Discholl“ und „oberste Fahr“, erstreckt sich das Naturschutzgebiet Siegauen rechtsrheinisch beiderseits des Flusses. Zur Bonner City dauert die Fahrt mit dem Fahrrad etwa 30 Minuten. Flussabwärts bis zur Mondorfer Rheinfähre und von dort bis zur Kölner Innenstadt sind es etwa 35 Kilometer. Oberhalb des „Discholl“ liegt das im Herbst 2010 eröffnete Fischereimuseum. Hier wird die Geschichte der Bruderschaft sowie die Technik des Fischfanges auf dem Rhein anhand von Modellen, Schautafeln und multimedial dokumentiert. Malerisch schwimmt im Wasser des Altarmes ein Aalschokker.

Fischereimuseum

Fischereimuseum

An der Siegfähre besteigen die Paddlerin und zwei andere Kanufahrer wieder ihre Boote. Ein paar Paddelschläge treiben sie in die Mitte des Flusses, die Strömung treibt sie dem Rhein entgegen. Im Fährnachen werden ein paar Radfahrer in buntem Dress übergesetzt, während am anderen Ufer schwatzend ein paar Wanderer warten. Neugierig mit den Ohren wackelnd stehen jetzt ein paar Pferde da, wo eben noch die bunten Boote der Kanuten lagen. Ihre Reiter werden sie gleich durch den Fluss treiben. Ein ruhiger, entspannter Tag in urtümlicher Landschaft nimmt seinen Lauf.


50.765217,7.107400
Bergheimer Fähre, 53844 Troisdorf, Deutschland

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