Ein Hauch vom alten Süden

Text und Fotos: Stephan Käufer
Boone Hall Plantation

Boone Hall Plantation

Nicht der geringste Lufthauch zieht durch die breite Allee. Und doch ist das Spanish Moss, das sich zwischen die weit ausladenden Äste der Eichen spannt, die Stämme der mächtigen Urzeitriesen umrankt, und gigantischen Netzen ähnlich Baum mit Baum verbindet, in immerwährender Bewegung. Immer zittrig, sich drehend und wiegend, lebendig, so als würde es von einer unfassbaren Energie in einen dauerhaften Bewegungsdrang versetzt. Wie silbriges Lametta am Weihnachtsbaum zieht es die Blicke des Betrachters auf sich. Verführt seinen Blick, hypnotisiert ihn und haucht so, den Legenden des „alten Südens“ neues Leben ein.

Spanish Moss

Spanish Moss

Geschichten in denen Kavaliere in Gehrock, Stock und Zylinder und Damen in weit wallenden Reifröcken und mit Rüschen- und Spitzenbesetzten Schirmen durch diese Allee flanieren. Es schaut zu als junge Männer in grauer Uniform auf feurigen Rossen und mit blitzenden Säbeln unter ihm hindurch und auf das Herrenhaus zu preschen, und mit hochroter, wie fiebrig erhitzter Stirn „Sezession, Sezession“ brüllen. Aber auch wenn Jahre später dieselben Männer, in abgerissenen fadenscheinigen Uniformen hungrig und in der Seele gebrochen auf ein Haus zuwanken, welches nur noch ein Schatten seiner selbst ist.
Es vermag nicht die kleinen, unscheinbar etwas abseits aber parallel zur Allee aufgereihten Hütten zu verbergen. Kleine Behausungen in denen Sklaven untergebracht waren. Jene Menschen, die den Preis für die Legenden nicht nur hier auf Boone Hall Plantation in South Carolina zahlen mussten.

Sklavenhütten

Sklavenhütten

So wie das „Spanish Moss“, die „Live Oaks“ oder „Magnolien“ typisch für die Südstaaten der USA sind, gehört South Carolina zu den Staaten an der Ostküste der USA, die zum „alten Süden“ zählen. Historisch betrachtet meint der Begriff jene 6 Gründungsstaaten der Union die sich 1861 der Konföderation angeschlossen und so die Sezession, den Austritt aus der Union betrieben haben. Ergebnis dieser separatistischen Bewegung war der „Civil War“, der „Amerikanische Bürgerkrieg“. Haupstreitpunkt zwischen dem Süden und dem Norden war die Sklavenfrage. Boone Hall Plantation, eine für jene Zeit typische Südstaatenplantage, liegt etwa 45 Autominuten nördlich von Charleston in South Carolina und ist für Besucher geöffnet. Den Begriff des „alten Südens“ aber auf eine geografische Komponente zu reduzieren, würde seiner Bedeutung nicht gerecht werden. Er steht für die verloren gegangene vermeintlich goldene Zeit vor Beginn des Bürgerkrieges, für eine Gesellschaft, ihre Werteordnung, für eine ganze Weltanschauung. Am Ende war all dies der Auslöser des grausamsten Krieges, der auf amerikanischem Boden ausgefochten wurde.

Seafront Charleston

Seafront Charleston

„Ich liebe Clark Gable als Rhett Butler, aber ich möchte nicht in dieses Zeitalter zurück“, erzählt lachend Carolin Timmons. Carolin wurde schon vor Jahren von der Patina Charlestons angezogen und ist deshalb hier her gezogen. Das Nebeneinander von rotem Backstein, weißen Säulengängen, romantischen Hinterhöfen, spannenden Galerien, ausladenden Holzbalustraden, interessanten Menschen und Geschichten, zieht unweigerlich in seinen Bann. Es gibt der Stadt ein unvergleichliches Gesicht, ein Alleinstellungsmerkmal. In ihm finden sich viktorianische Symmetrie, andalusischer Stolz, provenzalische Leichtigkeit und sizilianisches Temperament aber auch afrikanische Seele. Rhett Butler, der männliche Held des Romans „Vom Winde verweht“, stammt aus Charleston. Im Roman schaut er mit spöttischem Blick auf die Welt der Pflanzer und Südstaatenbarone. Ihr traditionelles europäisch geprägtes, feudalistisches auf den Prinzipien eines unüberwindbaren „Oben“ und „Unten“ aufgebautes Weltbild. Margaret Mitchell gelang es mit Ihrem mit dem Pulitzerpreis ausgezeichneten Roman, die Welt des „alten Südens“ zum Leben zu erwecken. Doch während die Prinzipien des alten Südens durch den amerikanischen Traum ersetzt wurden, hat sich in South Carolina und besonders in der „Low Country“ der Region um Charleston bis runter nach Beauford sehr viel von seiner positiven Patina erhalten.

Robert E. Lee Symbol des „alten Südens“

Robert E. Lee Symbol des „alten Südens“

In die Ferne gerichtet wirkt der offene, ernste, stolze Blick des Generals. Weißhaarig mit gepflegtem Vollbart drei Sterne am Kragenspiegel der Uniform der Konföderierten Armee. Robert E. Lee´s Porträt blickt aus schmucklosem Rahmen auf die Besucher in der Eingangshalle von Magnolia Gardens herab. Auch auf dieser Plantage weitläufige Gartenanlagen, durchzogen von kleinen Wasserläufen.

Magnolia Platation

Magnolia Platation

Im Sonnenlicht aalt sich eine verspielt wirkende im dunklen, fast schwarzen Wasser spiegelnde weiße Holzbrücke. Unterhalb des Hauses, parallel zum Ashley River, liegen die ehemaligen Reisfelder. Durch einen Damm vom Fluss getrennt lässt sich das Refugium auf flachen Booten erkunden. Die Tier- und Pflanzenwelt des Südens, findet sich in dem Biotop. Reiher gleiten langsam auf die Wasserfläche herunter. Seevögel ziehen ihre Bahn. Frösche quaken. Seerosen blühen zwischen Schilfgras und üppiger Vegetation. Plötzlich, erst spät bemerkt, inmitten fauliger Entengrütze zwei listig blinzelnde Äuglein. Einmal vom noch entspannten Blick des Betrachters erfasst, werden schnell die wahren Konturen der getarnt im Schilf verborgenen Echse deutlich. Spannung sofort! Alligatoren, Monster aus grauer Urzeit, keine vier Meter vom Boot entfernt. Anders als bei Peter Pan warnt hier keine tickende Taschenuhr vor der bestialisch anmutenden Kreatur.

Alligatoren sind Kaltblüter

Alligatoren sind Kaltblüter

„Alligatoren sind Kaltblüter. Sie benötigen die Wärme des Tages, das Sonnenlicht um ihre Körper mit Energie aufzuladen. Erst dann können sie in der Nacht aktiv sein“, erzählt Käpt´n Sy Parker. Sy steuert eines der beiden Motorboote durch das „Wildlife Refuge“. Tagsüber dösen die Überbleibsel der Urzeit am liebsten in der Sonne, mit dem Einsetzen der Abenddämmerung beginnt ihr Beutezug.

Wenn die Plantagen eindrucksvoll das Leben der Südstaaten-Oberschicht schildern, so ist Beaufort kurz vor der Grenze zu Georgia gelegen, ein Zentrum der Gullah Kultur. Im dortigen Penn Center wird die Sprache und Lebensart, die Musik, die Essgewohnheiten und das Kunsthandwerk dieser Kultur, die einen Bogen zwischen den Sklaven und ihren Nachfahren spannt, sehenswert dokumentiert.

Magnolia Gardens

Magnolia Gardens

Viele werfen den Vereinigten Staaten ihre fehlende Kultur und Geschichte vor. Zu unrecht. Vor fast vierhundert Jahren begann in South Carolina die Geschichte der Südstaaten, wurde der Mythos vom „alten Süden“ geboren. In der Verschmelzung europäischer, afrikanischer und indianischer Kulturen entstand etwas Neues. Im Ringen des Bürgerkrieges festigte sich eine junge Nation. Hinterfragte ihre Werte und bestätigte sie nachhaltig. Was anderes soll Kultur und Geschichte sein?


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Mount Pleasant, South Carolina, USA

Kalender von Stephan Käufer
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Momentaufnahmen und Impressionen. Meine Lieblingsmotive aus den Themenbereichen Reise, Motorrad und Oldtimer. Zusammengefasst und präsentiert als hochwertiger Wandkalender.

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