Fünen – Insel der Schlösser und Herrensitze

Text und Fotos: Stephan Käufer
Endlich Urlaub

Endlich Urlaub

Irgendwann erwischen sie jeden, niemand ist davor gefeit. Den einen treffen sie plötzlich und unerwartet, ein anderer hat es lange schon geplant. Mancher hat hinterher ein schlechtes Gewissen, jener andere fühlt sich seltsam befreit, und ein dritter lehnt es ein weiteres Mal strikt ab – wovon die Rede ist? Nun - vom Poelser, jenem etwa 20 Zentimeter langem, fingerdickem, länglich rundem, orange – roten, fleischigen Etwas, serviert im labbrigen Brötchen drapiert mit Senf, Ketchup, dänischer Remoulade, Gurken und gerösteten Zwiebeln. Landauf, Landab, bekannt unter dem Sammelbegriff „Hot Dog“. Die Würstchen in dem „Ding“ werden in Dänemark in Südostjütland als „Poelser“ genauer gesagt als „Roede Poelser“ bezeichnet. Es ist schlicht unmöglich „ihnen“ hier im hohen Norden zu entfliehen. Irgendwie lauern sie überall.

Die A7 von Hamburg aus hat sich zum Ende hin doch noch lange gezogen. An der vorletzten Ausfahrt vor der dänischen Grenze ein kurzer intensiver Schenkeldruck und die Bikes ziehen endlich runter von der vierspurigen Langeweile. Noch eine gute Viertelstunde und die B200 erreicht bei Krusau dänischen Boden. Geschafft! Endlich Urlaub.

Runter ans Meer

Runter ans Meer

An der Kreuzung hinter der Grenze rechts ab, doch was ist das? Die Ampel auf grün, trotzdem Halt? Was soll der Menschenauflauf, woher kommt die Musik? Ein Oldtimerclub zieht im Triumphzug über die Kreuzung. Vorne weg und am Ende des Zuges in schmucken Uniformen und im Gleichschritt eine Blaskapelle, so ähnlich sehen die stündlichen Paraden in Disney World aus. Aus den blank gewienerten, Chrom glänzenden, teils offenen Automobilen, der letzten 100 Jahre Mobilitätsgeschichte winken stilecht zum Auto gekleidete Oldtimerfans. Sogar die Blues Brother`s „Jake und Ellwood“ haben sich in den Corso eingereiht. Längs der Strasse winken Schaulustige zurück, Kinder schwenken rot-weiße Fähnchen.

Hinter Krusau geht es runter ans Meer. Ein paar Hügel, ein paar Kurven, als Abschluss eine lang gestreckte Linkskurve und die Förde, sorry hier in Dänemark sagt man Fjord, liegt blau spiegelnd vor den Bikes. Auf dem Wasser leuchten weiß die Dreiecke der Segelboote. Vereinzelt prangt gebläht der bunte Spinnacker eines vor dem Wind segelnden Bootes. Mit schrillem Pfiff ertönt unüberhörbar an Steuerbord eine Dampfpfeife, gleichzeitig steigt weißer Qualm in den stahlblauen Himmel. Qualm und Pfeife gehören zur Alexandra, einem über einhundert Jahre alten Dampfschiff, das voll besetzt mit Touristen die Flensburger Förde unsicher macht.

Bei schneller Fahrt kommen jetzt rechts die Ochseninseln in Blickweite, die Sonne strahlt, die Luft schmeckt leicht salzig. Bikerwetter, Bikerhimmel, Urlaubsfeeling pur. Auf der linken Seite, gegenüber von den Ochseninseln, ein Bikertreff. Das „Hot Dog Haff“ die Motorräder tragen überwiegend deutsche Kennzeichen. Hier erwischen sie uns. Zum ersten mal Poelser…

Europa bringt Frieden

Europa bringt Frieden

Der kommende Tag beginnt mit Geschichtsunterricht. Hoch über der Ostsee liegen die Düppeler Schanzen. Am 18. April 1864 treffen auf den Feldern um die Ortschaft Düppel Dänen und Preußen aufeinander. Nach sechsstündigem Artilleriebeschuss der dänischen Stellungen schweigen gegen 10 Uhr die preußischen Kanonen und begleitet von den Klängen des York`schen Marsches, beginnen die Sturmkolonnen ihren Marsch gegen die dänischen Werke. Am frühen Nachmittag ist die Schlacht zugunsten der Preußen entschieden. Die in Auflösung begriffenen dänischen Regimenter weichen unter Zerstörung der Brücken, über den Alsensund auf Sonderborg aus. Bismarck feiert einen seiner ersten militärischen Erfolge und ein etwa 100 jähriges Ringen um Schleswig Holstein findet erst einmal ein Ende. Die Volksabstimmung von 1920 bestätigt die Grenzziehungen nördlich von Flensburg. Die Bonn-Kopenhagener Erklärung bringt, eingebettet in das europäische Haus, 1955 den endgültigen Frieden. Wie mag es wohl in 100 Jahren in Afghanistan oder im Irak aussehen? Werden Palästinenser und Israelis jemals Frieden finden? Das auf dem Schlachtfeld errichtete Museum, stellt die damaligen Ereignisse in den historischen Kontext und beschreibt diese eindrucksvoll.

Auch uns zieht es über den Sund nach Sonderborg. Unterhalb des Schlosses, am Strand, liegen die Mopedklamotten schnell auf einem Haufen, die Stiefel obenauf, und ab ins warme Wasser der Ostsee. Später lassen sich dann die Segelboote beim Ein- und Auslaufen in den Alsensund beobachten. Die Beine baumeln gemütlich über die Kante der Hafenmauer. Auch unser alter Bekannter, Kamerad Poelser ist mit von der Partie. Gegenüber, am Anleger dümpeln Fischerboote vor sich hin. Hinter dem Schloss geht unterdessen rötlich die Sonne unter. Kilometerfressen war gestern.

Am Strand

Am Strand

Am nächsten Tag beschert uns der Wettergott wieder einen strahlend blauen Himmel. Über die B8 geht es Richtung Fynshaven, Augustenborg Slot, auf dem der Dichter Hans Christian Andersen häufig zu Gast war, lassen wir links liegen ebenso Nordborg. Vielleicht statten wir hier auf der Heimfahrt noch einen Besuch ab. Dann geht es einen langgestreckten Hügel hinab, und schnell finden wir uns auf der Fähre nach Fünen wieder, tauschen die V- Motoren ein gegen den Schiffsdiesel. Nachdem die Mopeds ordentlich verzurrt sind lassen wir auf dem Achterdeck die Sonne um unsere Nasen spielen. Etwa 50 Minuten dauert die Überfahrt zwischen Fynshaven und Bojden.

Fynshaven

Fynshaven

Hügelig ist die Landschaft die uns erwartet. Schnelle Kurven führen in flotter Fahrt vorbei am leuchtenden Blau der See, sattem Grün der Felder, leiten durch kühle Talsenken in schattigen Wäldern immer weiter. Vergessen die lange Anfahrt. Auf und ab, Linkskurve, Rechtskurve, Bremsen, Gas geben. Schenkeldruck, Motorrad in die Kurve gedrückt und wieder aufgerichtet, Gas voll aufgerissen, Fahrwind im Gesicht. Freude, Spaß, Leben! Viel zu schnell ist Svendborg erreicht. Über die Sundbrücke geht es zu unserem Tagesziel „Valdemars Slot“ auf der Insel Taesinge. Malerisch liegt das Barockschloss in einer Bucht direkt an der Ostsee. Lecker schmeckt das Softeis. Interessant ist das Jagd- und Trophäenmuseum. Im Oktober werden im Schloss Grusel und Horrornächte veranstaltet.

Schlösser und Herrensitze

Schlösser und Herrensitze

Der neue Tag wird nicht an die Kultur verschwendet. Obwohl Fünen auch als „Land der Schlösser und Herrensitze“ bezeichnet wird, wird heute ausgiebig am Gasgriff gespielt. Hinter jeder Kurve verbirgt sich eine neue Überraschung. Gemütliche Mühlen, wie Kaleko Moelle, umgebaut in Cafes oder Dörfer die wie Puppenstuben anmuten, und allüberall Schlösser, Wasserschlösser, und noch mehr Schlösser. Nur Luftschlösser haben wir keine gefunden. Und beim „Barte des Propheten“ heute wird nirgendwo halt gemacht. Nein! Kurvige Landstraßen, flottes Kurvenräubern, cruisermäßiges Gleiten, dänische Gemütlichkeit. Auf der Insel ist alles machbar. Sogar Schloss Egeskov eines der besterhaltenen Wasserschlösser Nordeuropas kann uns nicht locken, Es bleibt einfach so an der Strasse liegen. Bloß keinen Kulturstress heute. Wir werden wiederkommen. Versprochen! Dann werden wir dem Wasserschloss mit dem angegliederten Oldtimer und Motorradmuseum unsere Aufwartung machen, und Odense der drittgrößten Stadt Dänemarks, und der großen Beltbrücke, und, und, und, Hmm… Abends finden wir uns dann von Fünen träumend auf der Insel Alsen wieder. Schade - aber die Fahrt mit der Fähre war wieder schön. Ob es an den Poelser gelegen hat?

Unbekannt grauer Himmel leitet den neuen Tag ein. Also eigentlich das richtige Wetter für irgend so einen Themenpark, oder doch noch mal ein Schloss? Nein, Augustenborg sieht uns heute nicht, wir fahren erst einmal nach Nordborg in`s Danfoss Universe. Und seltsam, kaum schnurren die Zylinder, – ist der Himmel blau, sorry stahlblau. Danfoss Universe ist ein vom dänischen Unternehmen Danfoss betriebener Park, der sich mit Physik und ihren Gesetzmäßigkeiten beschäftigt. Spielerisch, vor allem manuell, kommt der, der in der Schule nicht aufgepasst hat, dahinter wieso denn nun ein Kühlschrank funktioniert, Blitze zucken, und Baggerschaufeln sich bewegen. Und urplötzlich ist sie dann da, die Begegnung der dritten Art. Auf einmal findet sich der Biker auf einem zweirädrigen Gefährt wieder. Aber was ist das? Die Räder sind nebeneinander statt hintereinander angeordnet! Kein Gasgriff zum drehen, keine Kupplung? Stattdessen ein Instructor der erklärt wie es geht. Nur leicht nach vorne neigen und ab geht die Post! Kurvenlage? Nun ja, über Stock und Stein, Bergauf und Bergab hmm… Langsam kommt der Protektorgeschützte in Leder gekleidete auf den Geschmack. „Segway“ nennt sich das Ding. Tolles Gefühl, wow!

Danach steigen wir wieder auf die Bikes. Hinter dem Alsensund geht es rechts ab. Vorbei am Augustenborg Fjord, am Als Fjord und dann weiter am Aabenraa Fjord entlang. Hügel rauf, Hügel runter, von Berg zu sprechen wäre wohl vermessen, Kurve links Kurve rechts, wie bekannt aus den Vortagen. In Aabenraa Kaffepause und dann weiter zurück auf Krusau zu. Diesmal ist die Strasse ausnahmsweise schnurgrade. Da kommt schon die Grenze in Sichtweite. Plötzlich kreischende Bremsen. Stopp, da war doch noch was? Am Straßenrand steht sie. Die letzte Poelserbude vor der Grenze! Klar müssen wir uns auch noch von denen verabschieden. Schließlich hat man sich doch „zum Fressen“ gern.


54.922641,9.764682
Als Sund, Sonderburg, Dänemark

Kalender von Stephan Käufer
Motorradkalender

Momentaufnahmen und Impressionen. Meine Lieblingsmotive aus den Themenbereichen Reise, Motorrad und Oldtimer. Zusammengefasst und präsentiert als hochwertiger Wandkalender.

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