Unten am Fluss
Text und Fotos: Stephan Käufer
Congaree River Canoe
So schön hätte der Tag werden können. Schon sehr früh am Morgen blinzelte die Sonne auf ihre Nasenspitze. Badehandtuch, Sonnenbrille und Badesachen greifen und ein erfrischendes Bad im warmen Wasser des Flusses nehmen war eins. Anschließend einen der verführerisch warm im Strom liegenden Steine angepeilt und rauf auf ihn, einfach so, in der Sonne die Seele baumeln lassen, nichts Böses ahnen wollen, und nun dies.
Kommen da, mir nichts dir nichts, zwei bunte Boote auf dem Congaree River daher und steuern zu allem Überfluss auch noch direkt auf ihre Badeplattform zu, um sie (!) Turtle Testudinata, freie Amerikanerin, beim Bad in der Sonne zu stören. Unverschämte Lümmel, sei verwünscht oh Menschengeschlecht ob deiner Rastlosigkeit. In etwa dürfte das die Stimmungslage des Reptils spiegeln, als die Wogen des Südstaatenflusses beim Abtauchen ins sichere, für menschliche Augen undurchdringliche Dunkel, über ihr zusammenschlagen. Vielleicht könnten ihr das Eintauchen ins kühle, erfrischende Nass und die Flucht vor den warmen Strahlen der Sonne gar nicht so unrecht gewesen sein.
Turtle Testudinata freie Amerikanerin
Westlich von Columbia, der Hauptstadt des US amerikanischen Bundesstaat South Carolina, vereinigen sich die Wasser des Broad River mit denen des Saluda River und bilden so den Congaree River. Das Quellgebiet von Broad und Saluda sind die Ausläufer der Blue Ridge Mountains im Grenzgebiet zwischen North und South Carolina. Während der Saluda mehrere natürliche Seen und Talsperren bildet, Greenville westlich umgeht, fließt der Broad aus nördlichen Richtungen zwischen Rock Hill und Spartanburg auf Columbia zu. Nicht nur Schildkröten wie unsere Testudinata finden sich überall an den Flüssen der Region.
ruhig fließt der Congaree dahin
„Der Saluda River ist ein Weißwasserfluss mit einigen ordentlichen Stromschnellen. Nur trainierte Kanufahrer mit entsprechender Ausrüstung können diese Passagen befahren“ erklärt Guy Jones dessen Leidenschaft das Kanufahren ist. „Die Flüsse in South Carolina sind vielfältig. Wir haben hier Bergflüsse, die Mündungsgebiete an der Küste, aber auch Sumpfregionen“ spannt der 63-jährige aus Columbia den Bogen weiter. Dem Kanuabenteuer sind keine Grenzen gesetzt. Ausrüstung und Können sollten unbedingt den Gegebenheiten entsprechend sein. Verleihstationen finden sich beinahe überall wo es Wasser gibt.
Congaree Nationalpark Biosphärenreservat
Unterhalb der großen, den Congaree in Columbia mit acht weit ausholenden Bögen überspannenden Straßenbrücke, schieben zwei Kanufahrer ihre Boote ins Wasser. Im beruhigenden Rauschen des Flusses verschwinden die Geräusche der Stadt. Die Männer gleiten in ihre Kajaks, stoßen sich mit ihren Paddeln vom Ufer ab, und ein paar kraftvolle Paddelschläge später, tanzen die Boote in der Mitte des Stromes auf den Wellen. Das entspannt wiegende Auf und Ab läßt jegliche Hektik augenblicklich verschwinden. Ruhig fließt der Congaree dahin. Ein paar Steine liegen im Fluss, bilden kleine Stromschnellen. Keine wirkliche Herausforderung, die Boote schaukeln ein wenig, ihre Geschwindigkeit erhöht sich, Lachen auf den Gesichtern. „Der Congaree ist ein gemächlich dahinfließender Fluss in den „Midlands“ erklärt Guy. Er ist für Familien oder Anfänger geeignet. Und auch die mehrtägige Wandertour mit dem Canadier mit Zelt und der entsprechenden Ausrüstung macht spass. Das Naturerlebniss ist äußerst intensiv und hat deswegen nichts mit der Kanuwandertour auf einem mitteleuropäischen Fluss gemeinsam. Guy plaudert weiter: „Ein Kumpel paddelt derzeit den Congaree bis zum Antlantik hinunter, acht Tage würde ich für die Tour einplanen“.
Congaree Nationalpark Biosphärenreservat
Auf seinem Weg zum Atlantik passiert der Fluss den gleichnamigen Congaree Nationalpark. Das Biosphärenreservat verfügt über den letzten großen Bestand an Hartholz-Wäldern in den Vereinigten Staaten. Die im Sumpf wachsenden Bäume gehören zu den am höchsten gewachsenen im Osten der USA. Im Schutz der Wälder und der Sümpfe fühlen sich viele heimische Reptilien, Amphibien, Insekten und Vögel wohl. Guys Lieblingsfluss ist der Cedar Creek, der im Nationalpark in den Congaree River mündet. Kanufahren ist im Nationalpark erlaubt. Es gibt hier auch Campingplätze. Etwa zwanzig Kilometer nachdem er den Nationalpark passiert hat, bildet der Congaree den Lake Marion. Sein Überlauf mündet in den Lake Moultrie. Beides zusammen ein über fünfzig Kilometer langes Seensystem.
Kanu fahren erlaubt
Als Cooper River verlässt er den See schließlich. Etwa vierzig Kilometer später erreicht der Fluss Charleston und schließlich den Atlantik.
Wenn der Congaree auch für Anfänger geeignet ist, was den Schwierigkeitsgrad für das Kanufahren angeht, ängstliche Naturen sollten sich darüber im Klaren sein, dass unter dem Begriff Reptilien auch Alligatoren und Schlangen zu verstehen sind. Wenn diese auch seltener in fließenden Gewässern anzutreffen sind, ihre Präsenz ist real, als nachtaktive Lebewesen, vor allem in der Nacht.
Columbia Capitol
Etwas mehr als 130.000 Menschen leben in Columbia, der Hauptstadt South Carolinas. Neben dem Capitol und dem Universitätsgelände ist ein Spiel der Carolina Gamecocks, der Universitäts-Footballmannschaft sehenswert. Durch die zentrale Lage der Haupstadt sind die Blue Ridge Mountains schnell erreicht. Mit dem Auto benötigt man über den Highway etwa zweieinhalb Stunden bis Charleston. Myrtle Beach, modern und lebendig, mit feinsandigen Atlantikstränden ist in knapp drei Stunden erreicht.
Testudinata interessiert all dies nicht. Morgen wird wieder die Sonne scheinen. Sie wird sich wieder einen gemütlichen Fels im ruhig dahinfließenden Congaree suchen und die bunten Boote? Die sind schon lange wieder vergessen.
