Baumwolle schuf diesen wundervollen Ort

Text und Fotos: Stephan Käufer
ausgedehnte Baumwollfelder

ausgedehnte Baumwollfelder

Behäbig, leicht schwankend, kommt der gelbe Bus langsam und schwerfällig zu stehen. Seine orangefarbenen Warnleuchten blinken im Gleichtakt. Während begleitet von einem dumpfen Schnaufen, die Bremshydraulik seine Räder blockiert, klappt an seiner Rückseite ein achteckiges Stoppschild aus der Halterung. Schließlich kündet ein Zischen vom Öffnen der Seitentüre. Halb verdeckt durch das dunkelgrüne Blätterwerk der Allee, lässt sich das weit ausladende weiße Terrassengebälk eines aus rotbunten Backsteinen errichteten Farmhauses erkennen. Auf der breiten, mit ebenfalls weißen Holzzäunen eingefassten Auffahrt nähert sich eine junge Frau dem Schulbus. Ein Kind, die letzte Stufe des Ungeheuers springend überwindend, schnellt freudig erregt in die ausgebreiteten Arme seiner Mutter. Mit dem Schließen der Türen und unter dumpfem Gurgeln und etwas hellerem Röcheln nimmt das freundlich dreinblickende gelbe Ungetüm schließlich wieder Fahrt auf, bis sich das Prozedere ein paar Meilen weiter vor einem ähnlichen Farmhaus wiederholt.
An ausgedehnten Baumwollfeldern, tiefgrünen Wäldern und munter plätschernden Bächen, leitet eine schnurgerade bergauf, bergab führende Straße den gelben Schulbus durch die Upcountry.

Olde English District

Olde English District

Die Upcountry oder genauer der „Olde English District“, liegt im Norden des Bundesstaates South Carolina in den Südstaaten der USA. Mitte des 17. Jahrhunderts siedelten hier sehr viele englisch- und irischstämmige Einwanderer. Erkennbar noch heute an den Namen der Counties, wie York-, Chester- oder Lancaster Countie. Die Region zwischen Columbia, der Hauptstadt South Carolinas im Süden, Spartanburg im Westen sowie Charlotte der Hauptstadt North Carolinas im Norden, ist eines der „ersten“ Siedlungsgebiete der USA. Hier wurde amerikanische Geschichte geschrieben. Unabhängigkeits- und Sezessionskrieg hinterließen ihre Spuren. Ausgedehnte Waldgebiete, eine intakte Natur und Tierwelt sowie gemütliche Städtchen unterstreichen den Charme die „hospitality“ des „alten Südens“. Gastfreundschaft und ein kleines Schwätzchen werden hier sehr hoch gehandelt. Die Welt dreht sich sympathisch langsam. „Waltons Mountain“, und das „Gute Nacht John Boy – gute Nacht Elizabeth“ warten hinter jeder Straßenecke auf ihre Entdeckung.

hinterließen bewusst ihre Fingerabdrücke

hinterließen bewusst ihre Fingerabdrücke

„Sklaven mussten vor mehr als einhundertachtzig Jahren die Ziegel für die Plantagengebäude herstellen. Hierbei hinterließen sie bewusst in den roten Ziegeln ihre Fingerabdrücke“, erzählt Dontavius Williams. Dontavius lebt in der York Countie. Er führt über die ehemalige Baumwollplantage „Historic Brattonsville“. Dabei erzählt er spannende Geschichten über das Leben auf den alten Plantagen der Südstaaten. Seine Lieblingsgeschichte ist die von Colonel William Bratton. Bratton kämpfte zur Zeit des Unabhängigkeitskrieges als Patriot aufseiten der Continental Army also der Partei, die die Loslösung der amerikanischen Kolonien vom Mutterland England betrieb. Eines Tages erschien, während seiner Abwesenheit, eine Milizeinheit der Loyalisten, der Anhänger des britischen Königs Georg auf seiner Farm. Diese zwangen die Frau Brattons unter Androhung des Todes, den Aufenthaltsort ihres Mannes zu verraten. Doch selbst mit dem Messer an der Kehle schwieg sie. Ein britischer Offizier setzte sich schließlich für die Frau ein und erreichte, dass sie im Wohnhaus gefangen gesetzt wurde, während die Loyalisten sich im Wald versteckten.

Filmzimmer aus „der Patriot“ mit Mel Gibson

Filmzimmer aus „der Patriot“ mit Mel Gibson

Während der Nacht schlich sich der Sklave Watt zu Bratton und den Männern der „South Carolina Miliz“ und berichtete, was geschehen war. Dieser eilte mit seinen „Patrioten“, einer Freischärlereinheit die in den undurchdringlichen Wäldern einen Partisanenkrieg gegen die Truppen der britischen Krone führte, zu seiner Plantage. Im Schutz der Nacht umzingelten sie die Loyalisten. Überraschten und überwältigten diese am frühen Morgen schließlich in einem Feuergefecht, wobei die meisten Loyalisten fielen. Der britische Offizier, der sich für die Frau Brattons eingesetzt hatte, wurde schwer verwundet. Nach dem Scharmützel wurde er von der Frau Brattons aufopferungsvoll gesund gepflegt. Dem Sklaven wurde wegen seiner tapferen Tat die Freiheit geschenkt.

das Haupthaus

das Haupthaus

Im Haupthaus, angekommen führt Dontavius die Besucher in das Speisezimmer. Knarzende gehobelte Holzdielen, ein Klavier. Elegant, glatt, fast streng nicht verspielt und in klarer Linienführung sind die Füße des filigranen aus dunklem Holz geschreinerten Esstisch geformt. Speisen, echt wirkend und Geschirr sind auf ihm bereitet. Die Rückwand des Raumes, eine eher roh gezimmerte Holzwand, die eingelassenen Türen werden durch grobe Beschläge gehalten, steht zu dem feinen Tisch in stimmungsvollem Kontrast. Mit leuchtenden Augen und ausholenden Gesten berichtet Dontavius darüber, dass in den Räumen dieses Hauses einige Szenen des „Patrioten“ gedreht wurden. Das monumentale Filmspektakel mit Mel Gibson in der Hauptrolle des Benjamin Martin des „Patrioten“ thematisiert die Geschichte jener „South Carolina Miliz“. In der fiktiven Gestalt des Pflanzers Martin finden sich die Biografien sehr realer Patrioten wie Francis Marion, Thomas Sumter, Andrew Pickens und Daniel Morgan wieder. Nicht zuletzt steht auch die Vita des Colonel William Bratton, der in jenen Jahren eine wichtige militärische Rolle in der Region spielte, stellvertretend für viele typische South Carolina Biografien.

Nicht Baumwolle, Menschenhand schuf

Nicht Baumwolle, Menschenhand schuf

Im Gemüsegarten, zwischen Bienenkorb, und Stallungen, in der Hand eine Okra Schote, wird Dontavius nachdenklich: „Die Baumwolle ist es, die dies alles schuf“, erklärt er und blickt dabei über die weiten Wiesen in Richtung des Farmhauses. Nein, hier irrt er. Menschenhand pflanzte die Baumwolle, Menschenhand formte die Ziegel und errichtete die Gebäude. Die Natur und der Gott, an den jene glaubten, ließ alles gedeihen. Und wie nebenbei, formulierten in diesen Wäldern, auf diesen einsamen Farmen und an jenen wärmenden Herdfeuern die Menschen dieses Zeitalters die Sätze der Erklärung, die noch heute die Grundlage für unsere individuelle Freiheit darstellt. Auch in unseren Tagen geben diese Wälder und Menschen Anlass zur Hoffnung, das der Geist jener Pioniere und Gründerväter, den modernen Generationen dieser stolzen Nation die Kraft gibt diese individuellen Rechte zu bewahren.


34.864960,-81.176080
Brattonsville, McConnells, South Carolina

Kalender von Stephan Käufer
Reisekalender

Momentaufnahmen und Impressionen. Meine Lieblingsmotive aus den Themenbereichen Reise, Motorrad und Oldtimer. Zusammengefasst und präsentiert als hochwertiger Wandkalender.

weiterlesen
609 Besucher