Land der Mythen

Text und Fotos: Stephan Käufer
schroffe Felsen

schroffe Felsen

Schroff weisen die Felsen in den Himmel, die Sonne brennt heiß. In endlosen Serpentinen windet sich die Straße. Dann und wann ein Felsüberbau, der wie ein Balkon die Teerpiste überspannt. Behauener Fels bergwärts. Gegenüber, die Straße dazwischen vielleicht drei Meter breit, der steil abfallende Hunderte Meter tiefe, gähnende Abgrund. Wie eine Schlange zieht sie sich um Felsvorsprünge deren Spitzen wie die Zinnen einer Burg wirken, schier uneinnehmbare Felsbastionen, von Götterhand errichtet. Land der Legenden und der Wunder. Die sanfte Brise verschafft etwas Kühlung, und schläft direkt wieder ein. Ein Salamander spritzt über den Fels, verschwindet in den Spalten rissiger Felsen. Dann, unerwartet öffnet sich die Schlucht und ein Hochtal mit saftigen Wiesen breitet sich aus. Bildet den Vordergrund für ein atemberaubendes Panorama. Umsäumt von Felsenklippen, und mittendrin, im Zentrum, auf dem höchsten Gipfel eine von Menschenhand errichtete Kapelle.

unerreichbar

unerreichbar

Scheinbar unerreichbar steht sie in der Einsamkeit steil abfallend der Fels auf dem sie throhnt. Schnell wendet sich die Straße von dem Abgrund weg, um in einer ausholenden immer weiter fallenden Kurve bis zum Grunde der Schlucht zu gelangen, wo der kühl rauschende Verdon, der der Landschaft -dem Gorges du Verdon- den Namen gibt, sie begrüßt und willkommen heißt.

Reich an Mythen und Legenden ist Frankreich, besonders sein Süden und die Region um die Verdonschlucht. In der Haute-Provence, hat sich der Fluss tief in die Ausläufer der Alpen gegraben, und so die Schlucht entstehen lassen.

Tiefe Schluchten

Tiefe Schluchten

Geografisch betrachtet erstreckt sich der „Grand Canyon du Verdon“ in etwa auf einer Länge von 25 Kilometern zwischen der Stadt Castellane im Osten sowie dem romantischen Bergdorf „Moustier-Sainte- Marie“ im Westen. Doch zurück zu den Legenden. Viele von ihnen ranken sich um den Heiligen Gral, die Katharer, Maria Magdalena aber ganz besonders um die „armen Mitstreiter Christie vom Tempel Salomons zu Jerusalem“, die Tempelritter. Die Templer, wie sie auch bezeichnet werden, gründeten sich nach dem ersten Kreuzzug im Jahre 1119. Philipp der Schöne, König von Frankreich, vernichtete den Ritterorden 1307. Sehr viele Spuren der Templer findet man noch heute in der Region um die Verdonschlucht.

„Der Stern schützt die Menschen in Moustier“, ist sich Claire Champi sicher. Die 35- jährige ist in Moustier-Sainte-Marie geboren, aufgewachsen und lebt hier. „In Gefangenschaft, während des Kreuzzuges versprach der Chevalier Blacas, ein Templer, dass er zu Ehren der Gottesmutter einen Stern zwischen die Felsen über den Ort hängt“, führt Claire die Geschichte mit strahlenden Augen weiter aus. Nach glücklicher Heimkehr aus dem Orient hat er sein Versprechen wahr gemacht, so der Volksmund. Niemand weiß so ganz genau, wie der Stern dort hingelangt ist. Es werden sich auch Geschichten erzählt, wonach er ein Hinweis auf den sagenhaften Schatz der Templer sein soll. Eine andere Geschichte erzählt davon, dass der erste Großmeister des Ordens „Hugo von Payens“ in der Verdonschlucht eine unterirdische Stadt angelegt hat. In ihr soll nach dem Verbot des Ritterordens sein riesiger Schatz versteckt worden sein. Ist der Stern vielleicht gar ein Hinweis auf diese unterirdische Stadt? Schatz hin Templer her.

Eines der schönsten Dörfer Frankreichs

Eines der schönsten Dörfer Frankreichs

Moustier-Sainte –Marie ist eines der schönsten Dörfer Frankreichs. Seine Häuser schmiegen sich wie Adlerhorste an die Felsen. Sie changieren in den typischen Brauntönen der Provence, in blassem blau, grün oder grau zeigen sich die Klappläden der Fenster. Das geschwungene Auf und Ab der Tondachziegel auf ihren Dächern beruhigt. Am Himmel ziehen, Adlern gleich, Gleitschirmflieger ihre Bahn. Citè de Fayences - Stadt der Fayencen wird Moustier auch genannt. Zahlreiche Töpfereien, in denen unterschiedliche Muster und Formen gebrannt werden buhlen um die Gunst des zeitlos Schönen. Stöbern und finden in den Manufakturen, und nebenbei das beruhigende Rauschen des Wildbaches, der das Bergdorf in zwei Hälften teilt. Wohin fliehen die Gedanken, eilen sie den Adlern hinterher?

Keine Ritter hier

Keine Ritter hier

„Nein“, grinst Jean Claude, „Ritter habe ich hier noch keine gesehen“. Jean Claude ist der Gehilfe des Müllers von „Moulin de Soleil“, Paul Amoros. Das Jean Claude es faustdick hinter den Ohren hat sieht man ihm an. Stolz präsentiert er einen runden Laib Brot aus dem Holzofen, auf dem das Tatzenkreuz der Templer prangt. Ein paar Tische stehen in der kleinen Bäckerei, einem Nebenraum der Mühle. Lecker ausschauende Torten und andere Backwaren werden fein sauber aufgereiht neben anderen regionalen Produkten in den Regalen präsentiert.
Paul Amoros ist ein Kenner der Mythen, aber auch der Fakten um die Tempelritter in der Region. Zahlreiche Bücher und Zeitungsartikel zum Thema liegen in der Mühle aus. Etliche hundert Meter hinter der „Pont de Soleils“ an der Straße Richtung Trigance, liegt die historische Mühle, eingebettet in das saftige Grün der Bäume.

Moulin de Soleil

Moulin de Soleil

Der Talkessel ist hier etwas flacher. In dunklem Türkis rauscht der Verdon unterhalb der Mühle vorbei. Chateau Valcross und Chateau de Soleils in der Umgebung der Mühle, die Komturei von Saint-Maymes oder die Templarii, die neun Templerkirchen im Dreieck zwischen Castellane – Trigance – Jabron. Die Autorin Cornelia Ziegler hat in ihrem Buch „Provence auf den Spuren der Templer“ viele Fakten und Mythen um den geheimniss umwobenen Ritterorden zusammengetragen. Die fantasieanregende Gebirgswelt des Verdon mit seinen zerklüfteten Felslandschaften, den rauschenden Gebirgsbächen und fruchtbaren Hochtälern lässt die Legenden lebendig werden. die Fakten sind für jeden nachprüfbar.

Doch nicht nur die alten Sagen und die spektakuläre Natur machen den Reiz des Grand Canyon du Verdon und des ihn umschließenden Nationalparks aus. An der „Pont de Soleils“ bringen ein paar Kanufahrer ihre bunten Boote zu Wasser. Die Brücke über den Verdon ist für Kanuten ein beliebter Einstiegsplatz. Am Lac de Sainte Croix, einem Stausee der zum Schwimmen einlädt, könnte ihre Fahrt enden. Auch an den zahlreichen Aussichtspunkten, wie etwa dem Point Sublime, lässt sich die Wildheit der Schlucht genießen. Wander- und Trekkingtouren aber auch Bungee-Jumping, zum Beispiel an der Pont de l`Artuby, oder das Gleitschirmfliegen lassen sich im Grand Canyon du Verdon erleben.

Lac de Sainte Croix

Lac de Sainte Croix

Und nicht zuletzt sind es lediglich zwei Autostunden von Moustier-Sainte – Marie bis nach Aix en Provence. In weniger als drei Autostunden, kann man von Castellane aus die Strände der Cote d`Azur bei Antibes oder Nizza erreichen.

So freundlich, wie der kühle Fluss die Straße empfängt, verabschiedet er sie auch wieder. Vielleicht steht ja der Reisende, der sein müdes Haupt in Moustier zur Ruhe gebettet hat, ebenso wie die Einwohner unter dem Schutz des Sternes.


43.845486,6.221338
Moustiers-Sainte-Marie, Verdonschlucht, Frankreich

Okzitanien - Katharerland
Okzitanien - Katharerland

Reise in den Südwesten Frankreichs

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